Zu Besuch bei einen der besten Fußball-Akademien in Nordafrika

Was haben der neue BVB-Star Ramy Bensebaini und OGC Nizza-Star Hicham Boudaoui gemeinsam? Fußball-Experten von Euch wissen: beide spielen für die algerische Nationalmannschaft. Was jedoch kaum einer weiß, beide kommen aus der Talent-Schmiede des algerischen Fußballvereins Paradou AC. Para…was?

Der Paradou Athletic Club aus Hydra

Quelle: Wikipedia:
Der Paradou Athletic Club ist ein algerischer Fußballverein aus Hydra, einem Stadtteil der Hauptstadt Algier.

Junge Mitglieder des Hydra AC, die dort keine Chance auf einen Einsatz in der Mannschaft sahen, gründeten den Verein 1994. Seither ist der Verein 8x aufgestiegen. Zwischen 2005 und 2007 spielte der Verein in der ersten algerischen Liga. In den 2010er Jahren ist PAC der Verein, in dem die Eleven der algerischen Fußballschule von Jean-Marc Guillou (Académies JMG) aufgrund eines Kooperationsvertrags ihre ersten Ligaerfahrungen sammeln können.

Zur Entstehung der Vereinsfarben blau und gelb gibt es folgende Anekdote: Als man über die Farben nachdachte, fuhr angeblich der Botschafter Schwedens mit seinem beflaggten Auto an den Gründern vorbei und man entschied sich für diese Farben.

Heimspiele finden im Omar-Hammadi-Stadion statt, das 15.000 Zuschauern Platz bietet.

4 Trainingsübungen – Teamsportbedarf.de

Algerien und die deutsche Fußball Geschichte

Als ich die Einladung für eine Trainerfortbildung erhielt, war ich natürlich gleich Feuer & Flamme. Aber ganz offen gesprochen: Für den nordafrikanischen Fußball habe ich mich bis zur Winter-WM in Katar nicht wirklich interessiert.

Gut, wir älteren Fußballtrainer erinnern uns an die WM 1982 in Spanien. Wir verloren gleich unser erstes Gruppenspiel gegen Algerien mit 1:2. Die deutsche Mannschaft und vor allem die deutsche Fußball-Nation waren vor dem Spiel eigentlich von einem Tor-Festival ausgegangen.

Dann natürlich das WM-Achtelfinal-Drama 2014 in Brasilien gegen starke Algerier! Deutschland zitterte sich ins Viertelfinale und wenn wir nicht Manuel Neuer gehabt hätten, wären wir auch mit Sicherheit rausgeflogen und eben nicht Weltmeister geworden.

Ach ja, beinahe hätte ich es vergessen, sorry liebe Bayern-Fans, da war doch noch was. Wien 1987, Europacup-Finale der Landesmeister gegen FC Porto. Ein gewisser Rabah Madjer, algerischer Nationalspiel in Diensten des FC Porto, schoss den zwischenzeitlichen Ausgleich zum 1:1. Genau! Das Tor mit der Hacke! Porto gewann das Spiel letztlich mit 2:1 und Madjer spielte das Spiel seines Lebens.

Fußballexperten staunen

Für viele Fußball-Experten war Marokko das Überraschungsteam der WM in Katar. Mit einem 1:0-Erfolg gegen Portugal zog Marokko als erstes afrikanisches Land in ein WM-Halbfinale. Währenddessen scheiterte Algerien knapp in der WM-Qualifikation, im Entscheidungsspiel gegen Kamerun.

Marokko, die Art und Weise, wie sich das Team bis ins Halbfinale spielte, machte mich neugierig und so begab ich mich auf Spurensuche…und ich wurde ganz schnell fündig! Mit wenigen Worten vom marokkanischen Fußball-Präsidenten Fouzi Lekjaa kann man die Erfolgsstory des Landes wie folgt zusammenfassen (Quelle: FiFa.com): "Die Entwicklung des Fussballs in Marokko basiert auf drei Säulen, welche die logische Grundlage für die Entwicklung eines jeden Systems bilden: Infrastruktur, Talent und Betreuung.“ und weiter sagt er: "Marokko hat eine junge Gesellschaft, und die marokkanische Jugend verfügt über viel Talent."

Wer gewinnt den ersten großen Titel?

Und jetzt kommen wir zu Algerien. Da geht die Entwicklung genau in dieselbe Richtung. Es ist insgesamt unter den Nordafrikanern quasi ein Wettbewerb entstanden, wer am besten und am schnellsten die Entwicklung des Fußballs vorantreiben kann und insbesondere, wer als erstes Titel gewinnen kann. Bei den Vereinsmannschaften, bei den U-Nationalmannschaften, bei den Nationalmannschaften, aber auch im Frauenfußball. Das große Pfund hierbei sind die „vielen Talente“.

Akademie von Paradou AC - Pure Begeisterung

So kommen wir direkt zu meinem Besuch bei der Akademie von Paradou AC. Ich habe mich gleich von der ersten Minute an beim Zusammentreffen mit den Akademie-Trainern als auch mit den Akademie-Spielern wohlgefühlt. Die Steigerung vom „sich Wohlfühlen“ bis zur puren Begeisterung dauerte genau eine Trainingseinheit mit der U13. Es stimmte wirklich. So viel Talent auf einmal…selbst beim FC Bayern, wo ich auch eine Zeitlang den Nachwuchs des FC Bayern im kognitiven/motorischen Bereich trainieren durfte, gab es diese Quantität an Bewegungstalente nicht.

Danach hatte ich gleich eine Trainingseinheit mit der U17, die gerade algerischer Meister und Pokalsieger wurde. Und auch hier, gleiches Bild wie bei der U13. Einfach nur Topp! Jeder dieser Spieler würde in Deutschland in der U17 Bundesliga nicht nur mitspielen können, sondern wahrscheinlich sogar herausragen!

Natürlich konnte ich davon ausgehen, dass nordafrikanische Spieler ihre Stärken im technischen Bereich haben und dass hatte sich auch so nach den ersten Trainingseinheiten bestätigt. Darüber hinaus waren sie aber auch im kognitiven Bereich fast alle auf ein überdurchschnittliches Niveau anzusiedeln und das überraschte mich dann schon. Die größte Überraschung folgte aber noch: Sie hatten Lust auf dieses kognitive Training und sie ahnten bereits bei den ersten Übungen, kognitives Training liefert ihnen eine zusätzliche Chance, sich nochmals auf ein höheres Spiel-Niveau hochzuarbeiten.

Beeindruckende Disziplin

Richtig gelesen: „Hochzuarbeiten“. Die Disziplin der Spieler, ob 13, 15 oder 17 Jahre alt war beeindruckend. Selbst nach meinem Training, ging für die meisten das kognitive Training neben dem Platz weiter, nicht zu knapp und bei sommerlichen Temperaturen. Die Akademie-Trainer lassen sich auch immer wieder was einfallen, um die Technik der Spieler oder das 1 gegen 1 der Spieler ständig zu verbessern. Das legendäre Barfußtraining ist das eine, das Initiieren von 1 gegen 2 Situationen das andere, während wir in Deutschland vom Bestseller-Trainingsbuch 2 gegen 1(Peters/Schumacher) begeistern sind, und somit dann auch wohl der Aussage von Herrn Peters und Herrn Schumacher zustimmen, dass diese Konstellation als Kern des Angriffsspiels bezeichnet werden kann.

Deutsche Talente müssen abspielen

"Abspielen oder alleine gehen?" (Quelle: Sport1), so Peters, das sei die entscheidende Frage. Für meine Trainerkollegen von Paradou AC heißt es da eher: Erst, wenn ich „allein gehen“ kann, entpuppt sich diese Fragestellung als echter Mehrwert für die Spieler und ganz ehrlich, ich sehe es genauso. Die meisten deutschen Talente können im doppelten Sinne gar nicht allein gehen, denn sie müssen abspielen. Und das schränkt erheblich die Handlungsoptionen und Kreativität der Spieler/der Mannschaft ein. Für mich hat das 2 gegen 1 im Kinderfußball schon mal gar nichts verloren und erhält erst seinen Stellenwert ab einer U17 aufwärts.

„Double Jobber“ + Mentalitäts-Spieler = Unterschiedsspieler

Auch in Algerien hält sich „noch“ das Gerücht, dass Fußball ein einfaches Spiel sei: 22 Männer jagen 90 Minuten lang einem Ball nach, und am Ende gewinnen immer wir Deutschen.

Ich hatte in den wenigen Tagen das Gefühl, dass hier in dieser Akademie Spieler entwickelt werden, die sich eine echte Gewinner-Mentalität erarbeitet und nicht herbeigeredet haben. Als ich die Jungs von der U13 etwa 45 Minuten trainiert hatte, packte ich bewusst ein zwei „Hammer-Übungen“ aus, und die Jungs staunten nicht schlecht.

Plötzlich ging fast gar nichts mehr! Sie guckten sich gegenseitig ungläubig an und wurden in den Übungen noch unsicherer. Aber jetzt wollten sie es wissen, übten und übten bis ich sie in ihrem Übereifer unterbrach und sie zu mir bat. Ich fragte sie: „Was ist los Männer? Zu schwierig für Euch, oder noch zu schwierig für euch?

Kaum wurde meine Frage übersetzt, sah ich schon von drei, vier Spielern den Arm oben, sie wollten sich zu Wort melden. Der erste Spieler sagte in etwa: „Für uns es nicht schwierig, für uns ist es nur eine neue Herausforderung, die wir meistern werden, denn wir werden und wollen doppelt so hart trainieren wie die anderen Spieler in den anderen Ländern." Ich dachte mir, was für eine „geile" Antwort. Was meint Ihr liebe Trainerkollegen? Würden wir so etwas ähnliches auch in einem deutschen NLZ als Antwort erhalten?

Matthias Nowak
www.cognigoals.com

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